Ich bin geboren im Jahr 1987. Ich bin Teil von Generation Y. Ich bin ein Digital Native. Als solcher habe ich im Alter von 21 zum ersten Mal alleine eine Bankfiliale betreten. Es war mein erster Arbeitstag. Wieso dem so war? Ganz einfach, davor gab es keinen Grund dazu. Wenn die Leute etwas unbedingt haben wollen, ist ihnen kein Weg zu weit. Noch heute campen Enthusiasten tagelang vor Apple Stores um als einer der Ersten eines der frisch erschienenen iPhones in Händen zu halten. Unglücklicherweise passiert einer Bank das nicht. Im Gegensatz zu einigen Geniestreichen der Technik sind Bankprodukte unsexy. Bankprodukte sind in unbegrenzter Anzahl verfügbar. Man kann sie nicht anfassen. Und das schlimmste ist, sie sind austauschbar. Trotzdem braucht sie jeder. In Zeiten, in denen Kunden „alles, jederzeit, überall“ wollen, hängt der Erfolg einer Bank nicht von den, zum größten Teil, einheitlichen Features ihrer Produkte ab. Erfolgreich zu sein dreht sich heute vielmehr um Zusatzservices und Integrierbarkeit in den Alltag der Kunden. Motive wie Verfügbarkeit, Flexibilität und Komfort sind Treiber der heutigen Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Finanzbranche. Bankkunden wollen heute Zahlungen in Echtzeit, mobile Lösungen und Plattformen, die alles aus einer Hand bieten. Ihre Marktanteile gegen Fintechs und Techfins zu behaupten, wird kein Kinderspiel für die etablierten Banken. Ihre Existenz hängt jedoch davon ab.
2. Externe Digitalisierung
Jeder zweite Bankkunde in Deutschland nutzt Onlinebanking. Die Verbreitung wächst damit seit dem Jahr 2000 um jährlich 9%. Setzt sich dieses Wachstum fort, könnte die Durchdringung bis 2026 100% betragen. Diese These wird dadurch untermauert, dass schon heute 71% der Kunden unter 30 Onlinebanking nutzen. Insgesamt kommunizieren 25% der Onlinebanking-Nutzer per Smartphone mit ihrer Bank, während der Anteil bei den unter 30-Jährigen 42% beträgt. Die Veränderung der Art und Weise, wie Kunden mit ihrer Bank in Kontakt treten, ist bezeichnend für den digitalen Wandel im Bankwesen, der unaufhaltsam fortschreitet. Externe Digitalisierung zielt darauf ab, das Bedürfnis der Kunden nach allumfassender digitaler Kommunikation zu stillen.
3. End-to-End Digitalisierung
Das Verständnis der Rolle des Kunden hat sich gewandelt. Die traditionelle Sicht, die die Rolle des Kunden als passiver Serviceempfänger betont, wurde um seine Aufgabe als aktiver Aufgabenträger erweitert. Dieses Konzept der Kundenintegration bedeutet, dass Kunden externe Faktoren in die unternehmerische Wertschöpfungskette einbringen. Aus Sicht der Bank erhöht die Kundenintegration insbesondere die Effizienz. Self-Services sind ein typisches Beispiel. Kunden können ihre persönlichen Daten direkt in den Systemen der Bank ändern, was den Arbeitsaufwand für Sachbearbeiter reduziert. Viel wichtiger ist jedoch, dass das Konzept das neue Selbstverständnis der Kunden reflektiert. Kunden wollen nicht mehr einfach einen Auftrag aufgeben und auf dessen Erledigung warten. Sie wollen den Prozess kontrollieren. Das lässt sich gut am Konsumentenkreditprozess verdeutlichen. In einem vollständig digitalen Prozess ist die Kommunikation mit dem Kunden viel direkter. Er kann direkt mit dem Prozess interagieren und während der Laufzeit Veränderungen vornehmen. Dadurch kann er flexibel die Produktmerkmale zusammenstellen, die er benötigt. Das maßgeschneiderte Ergebnis deckt sich am besten mit seinen eigenen Präferenzen. Durch den Einblick der Bank in das Kundenverhalten erhält sie automatisch sehr detailliertes Feedback zu ihren Produkten. Diese Informationen sind von unschätzbarem Wert für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Und zu guter Letzt sind eine höhere Kundenzufriedenheit sowie stärkere Kundenbindung zu erwarten.
Gegenseitige Abhängigkeit: Einen Schritt nach dem anderen
Eine durchgängige End-to-End Digitalisierung ist der Grundstein einer erfolgreichen Ausrichtung der Geschäftsstrategie am digitalen Zeitalter. Dieser dritte Schritt kann jedoch nicht ohne erfolgreichen Implementierung der ersten beiden gelingen. End-to-End Digitalisierung erfordert den Abschluss sowohl der internen als auch der externen Digitalisierung. Die Digitalisierungspyramide verdeutlicht diese Abhängigkeit.
Status Quo: Gravierende Defizite bei der Umsetzung
Die meisten Banken haben bereits Zeit und Geld in die Automatisierung ihrer Prozesse investiert. Gebeutelt von den Schwierigkeiten der letzten Jahre, verfolgen Sie jedoch oft nicht den richtigen Ansatz. Um ihre Leistung zu verbessern und ihre Effizienz zu erhöhen, konzentrieren sich die Banken auf Kosteneinsparungen. Das Resultat ist eine fragmentierte Digitalisierung der internen Prozesse. Arbeitsabläufe sind nur teilweise automatisiert, was manuelles Eingreifen weiterhin erforderlich macht. Andererseits werden nach außen hin digitale Kanäle intern weiterhin manuell gesteuert. Bspw. werden Transaktionen, die scheinbar in Echtzeit stattfinden, lediglich im Frontend simuliert. Ein solcher Ansatz ist über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Nicht-Banken und banknahe Unternehmen setzen neue Standards. Die Bearbeitung eines Online-Kreditantrags innerhalb von drei Minuten ist keine Ausnahme mehr. Kunden gewöhnen sich an dieses neue Serviceniveau und werden es in Zukunft voraussetzen. Eine stringente End-to-End Digitalisierung ist eine unabdingbare Voraussetzung für Banken, um mit der aufstrebenden Konkurrenz mithalten zu können.
Wappnen für das Digitale Zeitalter: Ein vierstufiger Schlachtplan
Im Herzen einer Bank liegt ihr Kern. Diese Software zieht die Fäden hinter den Kulissen und ist ultimativ verantwortlich für die Kundenerfahrung. In den meisten Fällen Jahrzehnte alt und noch auf Mainframes laufend, steckt das Kernbankensystem hinter den grundlegenden Aktivitäten einer Bank. Diese beinhalten die Bearbeitung von Zahlungen, Einlagen und Krediten. Quasi jeder Kundenprozess kommt an mindestens einem Punkt mit dem Kern in Berührung. Das im Hinterkopf, scheint es offensichtlich, dass ein Großteil der Bemühungen zur digitalen Transformation für das Kernbankensystem aufgewendet werden sollte. Um den Kern fit für das digitale Zeitalter zu machen, müssen Flexibilität und Konfigurierbarkeit ein neues Level erreichen. Basierend auf den größten Schwächen der eingesetzten Kernbanksysteme, ist dies ein vierstufiger Plan, um dieses Ziel zu erreichen.
1. Modularisierung der Architektur
Die IT-Architektur vieler Banken ist das Resultat eines jahrzehntelangen Entwicklungsprozesses. Entsprechend ist sie in vielen Fällen äußerst komplex. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Spezialisten zu finden, die die veralteten Systeme und Programmiersprachen beherrschen. Es ist daher keine Überraschung, dass Banken aus Kosten- und Risikogesichtspunkten extrem restriktiv sind, was die Modifikation ihrer Kernbankensysteme angeht. Um dieses Dilemma zu lösen, ist es notwendig, die Architektur zu modularisieren. Durch den Einsatz von Anwendungen, die vom Kern losgelöst sind, werden Banken in die Lage versetzt, adäquat auf die sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes zu reagieren.
2. Reduktion der Komplexität
Viele moderne Benutzeroberflächen sind nur Fassade. Banken versuchen, durch den Einsatz zeitgemäßer Anwendungen im Frontend ihre veraltete Technik im Backend zu verstecken. Dem daraus entstehenden Satellitensystem fehlt es an einer einheitlichen Datenquelle, die allerdings unabdingbar ist für ein funktionierendes Omnichannel Banking. Um dem Abhilfe zu schaffen, bedarf es einer einheitlichen Datenbasis.
3. Ersetzen der Stapelverarbeitung
Als Folge der weitverbreiteten Stapelverarbeitung sind die Systeme nicht rund um die Uhr verfügbar. Außerdem ist diese Methode inkompatibel mit Diensten wie Echtzeitzahlung, die eine umgehende Ausführung voraussetzen. Der Wechsel zur Echtzeitverarbeitung ist daher aus Kundensicht unumgänglich.
4. Standardisierung der Schnittstellen
Standardisierte Schnittstellen vereinfachen nicht nur den Austausch von Modulen in der eigenen Systemlandschaft, sie erlauben auch die einfache Anbindung von Drittanbietern. In Zeiten von Open Banking sind sie damit ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Rom wurde nicht an einem Tag erbaut: Greenfield oder Two-Speed?
Durch den enormen Aufwand, der mit einer umfangreichen Modifikation eines Kernbankensystems verbunden ist, scheuen Banken diesen Schritt. Wenn Altsysteme aufgrund mangelnder Anpassungsfähigkeit nicht mehr zukunftsfähig sind, ist das Festhalten an ihnen jedoch mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. In diesem Fall ist eine umfassende Modernisierung unausweichlich. Getrieben durch schmale Budgets und den Versuch, das operationelle Risiko so gering wie möglich zu halten, ziehen einige Banken einen Two-Speed Ansatz einem Greenfeld Projekt vor. Aber Vorsicht: In einer stark verwobenen Systemlandschaft kann eine Two-Speed Architektur nicht dauerhaft Bestand haben. In diesem Fall kann sie nur als weicher Übergang von der vorherrschenden Spaghetti- zu einer modularen Lasagne-Architektur dienen.
Der Drift in das digitale Zeitalter
Ich bin geboren im Jahr 1987. Im selben Jahr veröffentlichte Microsoft Windows 2.0. Das neue Betriebssystem unterstützte nun VGA Grafik, allerdings nur mit 16 Farben. Ein paar Monate früher stellte Compaq seinen Portable III vor. Er war mit 9 kg der leichteste PC zu dieser Zeit. Es fühlt sich an, als ob die Technik seitdem Quantensprünge gemacht hätte. Das Internet hat die Art und Weise, wie wir kommunizieren, revolutioniert. Und Smartphones haben letztlich sein volles Potential entfesselt. In der Folge hat sich das Verbraucherverhalten tiefgehend und nachhaltig verändert. Heute löst das Wort Fintech Bilder von abgefahrenen mobilen Apps in den Köpfen der Menschen aus. Es gibt keinen Zweifel am Siegeszug der Digitalisierung in allen Aspekten der Gesellschaft. Sie mögen an eine Evolution oder eine Revolution in der Finanzbranche glauben. So oder so, es passiert etwas. Das Bild von Bankern über Fintechs hat sich von Rivalen zu Partnern gewandelt. Aber was auch immer kommen mag, Banken, die es nicht schaffen, mit der digitalen Transformation Schritt zu halten, werden es nicht über die Ziellinie schaffen. Also krempeln Sie die Arme hoch und machen sich bereit für den Drift in das digitale Zeitalter.
Autor: Thomas Thiel, Expert Unit Finance Consulting